Warum wir die Öffentlich-Rechtlichen brauchen

"Nieder mit der Zwangsgebühr! Weg mit der GEZ!"

Immer wieder höre ich die Diskussionen um die Gebühren, die für die Bereitstellung der öffentlich-rechtlichen Fernseh-, Radio- und Internetangebote eingezogen werden, sobald man eine Wohnung in Deutschland bezieht und somit die Möglichkeit hat, auf oben genannte Medien zuzugreifen. 



17,50€ kostet die GEZ im Monat, bei Studierenden ist es die Hälfte, wenn sie denn bedürftig genug sind. Und auch wenn ich mich häufig ärgere, dass ich knapp zwanzig Euro im Monat abdrücken muss, die ich vielleicht lieber in etwas anderes investiert hätte, bringe ich für den Rundfunk viel Begeisterung auf. Warum das der Fall ist und welche Veränderungen und Verbesserungen aus meiner Sicht notwendig sind, möchte ich im Folgenden erklären.

Als durchaus der Marktwirtschaft nicht abgeneigter Mensch wäre es eine Option, die ÖR zu privatisieren, also faktisch abzuschaffen, denn sonst wären sie nicht mehr öffentlich-rechtlich. Was wäre denn die Option? Befürworter der Abschaffung sind sich einig, die Qualität stiege weiter an und die Sender würden sich mehr um die Wünsche der Zuschauer kümmern. Das ist eine Fehleinschätzung. Wenn man sich die amerikanischen Privatsender ansieht, wird deutlich, dass kaum mehr als Unterhaltungsprogramme zu sehen sind und die wirklich guten Dokumentationen und Reportagen häufig von externen Personen auf Streamingplattformen wie Netflix & Co. laufen. Ein Sprecher der Privatprogramme der Schweiz sagte, darauf angesprochen, ob er auch die Nachrichtensendungen und journalistischen Beiträge neben all den gewünschten Kaufoptionen von Lizenzen usw. stärken und fördern würde, dass dies nicht rentabel sei, da gute Nachrichten verhältnismäßig viel kosteten, aber dafür deutlich weniger Erträge bringen.
Was käme also bei einer Privatisierung qualitativ dabei heraus? Fast ausschließlich auf niedere Gelüste zielende Unterhaltungsformate, die überdies noch mit ausreichend Werbung, also in 30 Minuten mindestens drei Mal, gespickt sind. 

Apropos Werbung, das ist einer der ersten Punkte, die ich für untragbar bei öffentlich-rechtlichen Sendern halte: Warum muss Werbung geschaltet werden, obwohl die Menschen dafür bezahlen? Jeder Streaminganbieter, sei es Netflix, Amazon Prime, Spotify oder Deezer verzichtet auf die Werbung, wenn der Nutzer für die angebotenen Dienste zahlt. Dass man ab 20:15 darauf verzichtet, ist nicht ausreichend, um davon abzulenken, dass am Tage fast genauso viel Werbung läuft wie bei privaten Sendern, die schließlich davon leben. 

Die Öffentlich-Rechtlichen seien nicht neutral und positionieren sich zu oft [gerne mit dem Einschub, dass der "Volkswille" nicht abgebildet werde]. 
Völlige Neutralität ist unmöglich, dessen muss sich jeder klar denkende Mensch bewusst sein, wenn er sie denn fordert. Dass eine neutrale Berichterstattung angesteuert werden müsse, ist sicherlich eine Zielstellung, die die ÖR nicht aus den Augen verlieren darf. Aber aus meiner Sicht wird hierbei oft vergessen, welche Sendungen nicht objektiv sind. Da fällt häufig die "Heute-Show" des ZDF. Auch das ist eine Fehleinschätzung. Ein Satireformat kann nicht neutral sein, es muss Haltung zeigen, ansonsten ist es wertlos. Davon abgesehen war die Satire seit Beginn des 20. Jahrhunderts stets ein  eher links- bzw. fortschrittsorientiertes Genre. Der häufig, wenn er gerade zu den eigenen Vorstellungen passt, zitierte Kurt Tucholsky ("Satire darf alles.") war stets ein antiautoritärer, linksliberaler Freidenker - geschadet hat es seinem Nachruhm nicht.

Nichtsdestotrotz ist etwas dran an der Forderung, Kommentare - das sind die persönlichen Einschätzungen der Referierenden - so gering wie möglich zu halten. Es darf Diskurs geben. Aber nicht von Nachrichtensprechern, die für ihre Neutralität und Ausgewogenheit bezahlt werden. Sonst endet es, wie es Claus Strunz bei SAT 1 vormacht, mit einer Bewerbung als AFD-Pressesprecher.

Viel sinnvoller wäre es, wenn zu einer bestimmten Thematik gegensätzliche Meinungen unabhängig voneinander in einem Kommentar angebracht würden, damit die ZuschauerInnen sich selbst ein Bild machen können. In einer Debatte, wie sie in den allabendlich stattfindenden Polittalks der ÖR stattfinden, endet meist alles in einer, wohl selbst Schulkindern peinlichen Auseinandersetzung, gipfelnd in zwei oder mehr erwachsenen Menschen, die sich gegenseitig anbrüllen. 

Doch der Hauptgrund, warum ich mich selbst als einen vollumfänglichen Befürworter der ÖR halte, lässt sich sehr gut mit einem Zitat von Marcel Reich-Ranicki zusammenfassen:

Fernsehen macht die Dummen dümmer und die Schlauen schlauer. 

Diese These wirkt erst einmal sehr wage und pointiert, aber wie sich gleich zeigen soll, ist sie naheliegend. Häufig lese ich Fernsehkritiken auf Facebook, sei es bei der Süddeutschen, der ZEIT, der FAZ oder aber der BILD. Schande über mein Haupt, ich bin nicht wählerisch und möchte alle Seiten der Medaille kennen. Nun lese ich (leider) ebenso die Kommentare.

"Verdummungsfernsehen", "Volksverblödung", etc. - gemeinhin würde ich sagen, dass es der intellektuelle Elfenbeinturm ist, in den sich die Eliten flüchten und die Unterschicht abwerten. Das ist erneut ein Irrglaube. Viel häufiger als irgendwo sonst finden sich nämlich diese Art der Kommentare bei der BILD. Sei es das Dschungelcamp (komisch, die Quoten sind faktisch jedes Jahr sehr hoch), Joko & Klaas in ihrer ehemaligen Sendung "Circus Halligalli" ("Die Jugend geht vor die Hunde und wird immer dümmer.") oder aber andere Formate. Aber stets wird dennoch gegen die ÖR gehetzt, die sich solche Formate nicht zutrauen bzw. gar nicht senden wollen.

Jeder schaue, was er wolle, aber viel zu oft habe ich das Gefühl, dass die Menschen nur fünf Fernsehprogramme haben (ARD, ZDF, RTL, ProSieben & SAT 1). Dem ist aber nicht so. Wer sich bilden, abends einfach gerne mal den Kopf ausschalten oder aber einer erhitzten Debatte folgen möchte, der findet im Fernsehprogramm immer etwas. Und er findet immer etwas auf den ÖR. Noch nie habe ich eine Episode des Traumschiffs gesehen, aber scheinbar gefällt es den Zuschauern, weswegen ich zwar dagegen wettere, aber dennoch toleriere, dass es gesendet wird. Mit einem kleinen Griff zur Fernbedienung bin ich weg von den oben genannten Programmen und schalte durch die Dritten. Tierdokumentationen, Heimatgeschichten, Verbraucherschutz oder der Tatort - auf irgendeinem Sender läuft immer etwas, das zur allgemeinen Erheiterung und/oder Bildung beiträgt. Dabei habe ich meinen beiden favorisierten Sender noch nicht einmal erwähnt. Ein guter Spielfilm läuft mal auf ARTE (eine deutsch-französische Koproduktion), eine Debatte im Bundestag oder aber eine erhellende Analyse dazu auf Phoenix. Aber es ist bei den Fernsehsendern wie mit den guten Radiosendern: der Deutschlandfunk (DLF) oder aber die Inforadios der jeweiligen Landesrundfunkstellen bieten immer Informationen der Spitzenklasse. Für Kulturliebhaber sei MDR Figaro (von mir faktisch nie gehört) oder aber DLF Kultur erwähnt. Wer lieber einen hervorragenden Musiksender hören möchte, dem sei Fritz (vom RBB) empfohlen. Die Internetauftritte und Mediatheken der oben erwähnten Seiten stellen unzählbare Sendungen, die sie bereits ausgestrahlt hatten, Nachrichten und Interviews on Demand zur Verfügung.

Warum all diese Ideen, was man schauen kann? 

Ganz einfach, weil die Vielfältigkeit und die Diversität innerhalb des unfassbaren Spektrums der ÖR so unendlich groß ist, dass für Jede und Jeden etwas dabei ist. Man kann sich den ganzen Tag mittelmäßige Krimis oder für rentnerproduzierte Dailysoaps (Rote Rosen, Um Himmels willen, etc. [alle nie gesehen]) ansehen. Man kann aber ebenso Informationen einsaugen, sich bilden und ferner seine Gedanken und Ideen diversifizieren.

Immer wird in Deutschland von mehr Bildungsgerechtigkeit gesprochen. Aber dass diese teilweise schon direkt vor uns liegt und wir diese nur zu ergreifen brauchen, fällt vielen nicht auf, weswegen  sie sich über die mangelnde Unterstützung des Staates ärgern. 

Bezahlt wird die GEZ (noch) von jedermann in diesem Land; wer sein Geld aber lieber in die Tonne wirft und darauf verzichtet, das umfassende Programm der ÖR zu konsumieren, sollte sich nicht  über deren Existenz grämen, sondern hinterfragen, ob er wirklich mit nichts etwas anfangen kann. 
Den Bildungsauftrag, den die ÖR im Gegensatz zum Privatfernsehen haben, kann man ignorieren. Aber dann darf man sich aber auch nicht über eine Verfehlung dessen beschweren.

In diesem Sinne,
viel Spaß und liebe Grüße
amaXing


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